Vorweg sei gesagt, dass wir neben dem alten amtlichen Namen noch mit einem andern benannt werden: „Die Lateiner“. Wo der Ursprung liegt, wer ihn erdacht hat, ist unbekannt. Hoffentlich aber bleibt er auch in Zukunft ein Ansporn für Eigenständigkeit und Leistung.

Das älteste Beweisstück menschlichen Daseins ist ein Steinbeil, das auf unserer Gemarkung Im Mühlenflur gefunden wurde. In Dorfnähe, unweit der jetzigen Domänengebäude "Briedeler Heck", wurden zwei weitere entdeckt. Einige hundert Meter davon entfernt fand man zahlreiche kleine Bruchstücke von Feuersteinen.

Auffallend groß ist die Zahl der Gräber aus der späteren Hallstattzeit (etwa 500 bis 600 v.Chr.). Fast jeder Höhenzug birgt an mehreren Stellen derartige Gräber, Es wurde festgestellt, dass manche Friedhöfe über einige Jahrhunderte benutzt wurden. Völkerstämme und Brauchtümer wechselten.

Innerhalb der Gemarkung ist eine Baulichkeit aus der Römerzeit feststellbar. (In der Mohr).
Es wurden Münzen von Maximian Maximin (306 bis 324 n.Chr.), Mitregenten nach Diokletian (204 bis 305), gefunden. Drei weitere Niederlassungen bestanden unweit der Gemarkungsgrenze, darunter der große Herrenhof auf dem jetzigen Domänengelände. Kleinere Fundstücke aus dieser Zeit kommen fast bei jeder größeren Grabung zutage.

Urkundlich wird unser Dorf erstmalig im Jahre 908 erwähnt. König Ludwig das Kind (Karolinger) verschenkte damals seinen hiesigen Königshof an das Erzbistum Tier (Erzbischof Ratbod).

In der Frühzeit des fränkischen Kaisertums gehörte das Dorf zum Nahegau.
Gaugrafen waren die Emichonen. Später kam es – als Filiale der Pfarrei Enkirch zugeteilt – wahrscheinlich mit diesen vor 1125 in Erbbesitz des Grafen von Sponheim.

Die Verwaltung des Königshofes wurde der Schaffnerei (Kloster) Ravengiersburg übertragen. 1324 wird das Dorf Ravengiersburen erwähnt.

Aus dem 13. Jahrhundert stammt der Turm aus unserer Kirche, der anfänglich als Kapelle benutzt wurde. Ungefähr das gleiche Alter hat auch unsere „kleine“ Glocke. "MAGISTER CONRADUS DE WORMATIA FECIT * MARIA VOCOR*" (Magister Konrad von Worms schuf mich – Maria werde ich gerufen) lautet die Glockeneinschrift.Die Glocke gilt (gemäß Glockenatlas) als die älteste Glocke Deutschlands, die den Namen des Gießers trägt.

1374 wird das Auftauchen von Geißelbrüdern berichtet. 1422 stellten die hiesigen Herrschaften Reiter zum Kampf gegen die Hussiten.

Im Jahre 1511 gab das Kloster Ravengiersburg (Prior: Kaspar von Grünberg) das hiesige, etwa 120 Morgen große Klostergut, in erhebliche Pacht. Die Erbpächter übten im Dorfe die niedere Gerichtsbarkeit aus (Anwaltshof). Das Haus der Erbpächter wurde aus diesem Grunde "Anwalt´s" genannt. Desgleichen heißt noch heute ein Flurstück "Anwaltsland". Die spätere Erbpächterfamilie blieb nach Einführung der Reformation 1545 bzw. 1557 als einzige durch die Jahrhunderte katholisch.

1515 zählte das Dorf neun Gemeindebürger. Etwaige Hintersassen sind nicht angegeben.

Wenige Jahrzehnte wird von Grenzstreitigkeiten und langwierigen Prozessen (1549 bis 1553) mit der Gemeinde Briedel berichtet, die letztlich das Rechtskammergericht entschieden habe. In der Folgezeit bestanden auch Meinungsverschiedenheiten über den Grenzverlauf mit anderen Gemeinden.

Nachdem 1567 das Dorf und mit ihm die ganze Gegend von der Pest heimgesucht worden war, trat die Seuche 1621 erneut ihren Verheerungsweg über das ganze Gebiet an.

Einen besonderen Einblick in die damaligen Verhältnisse gibt die "Raversbeurener Gemeindeordnung, gesatzt und geschrieben den 9. Februar 1626". Als Beispiel sei folgender Absatz erwähnt: "So sich´s begebe, dass der Zehend Jonker (Zehnt-Junker) die Klocken des Zehend halben lassen leuthen, sie werden eins oder nit, so ist der Gemein verfallen 18 albus". Auch für das Gemeindebackhaus sind schon Ordnungen aufgestellt.

Bittere Tage erlebte unser Dorf im Dreißigjährigen Krieg. Gleich nach seinem Beginn, vom Jahre 1619, wird von einer Plünderung durch die Spanier berichtet. Am 6.11.1620 wurde das Dorf erneut von den Spaniern durchwühlt, und am 16. Juni 1622 erfolgte der dritte große Überfall durch diese fremden Kriegsvölker. Als die Schweden am 17. Dezember 1631 in der Schlacht am Heerweg-Schollmunderhof Sieger blieben (3 Kompanien schlugen 10 Kompanien Spanier), trieben sie es genauso schlimm „dass kein Stück Vieh mehr übrig geblieben…“. Auch Kroaten werden dabei mitgenannt! Am 21. Juni 1633 erschienen die Schweden wieder im Dorf. Sie raubten, neben vielem anderen, acht Pferde. Im September 1634 plünderten französische Kriegsvölker, und im November des gleichen Jahres kamen die Schweden noch einmal.
Vom 14. Januar 1630 wird berichtet, dass der Abt Mathias vom Kloster Himmerod/ Eifel, Wiesen in „Rabersbeuren“ auf 24 Jahre, für jährlich 6 Moselgulden, verpachtet habe. Nach alten Behde- (Steuer-) büchern hatten auch die Grafen Kratz von Scharffenstein kleineren Besitz Wiesen am "Führtweg" und in "Gautzen".

In einer späteren Urkunde wird der Ort einmal "Ravenssteyer" genannt. (Schultheißerei Unzenberg).

Nach dem Aussterben der Sponheimer (1437) und der später folgenden Erbteilung wurde die Oststrecke unserer Gemarkung am „Ellerbuhr“ sogar zu einer Dreiländerecke: Baden- Kurtrier- Kurpfalz mit Oberamt Simmern.

In einer dörflichen Niederschrift vom 11. Julius 1727 wird ausführlich berichtet, dass und wie die Übergabe der Rhein- und Wildgräflichen Untertanen an den Fürsten von Kurpfalz (Heidelberg) erfolgte. Von 29 Bürgern insgesamt werden 26 namentlich genannt, davon 9 Kurpfälzer, 13 als Obersteinische (Rhein- und Wildgrafen auf Burg Dhaun) und als 6 Sponheimische (wahrscheinlich Linie Veldenz-Zweibrücken).

In der erweiterten Gemeindeordnung aus dem Jahre 1767 haben, unter Ausschluss Hintersassen, 24 Bürger eigenhändig unterschrieben.

Über das Erbauungsjahr unserer ersten Kirche ist nirgends etwas feststellbar. Sie wurde 1707 wegen Baufälligkeit, mit Ausnahme des Turmes, restlos abgetragen und neu errichtet.

Als erster Pfarrer nach der Reformation wird 1632 Johann Rühling erwähnt. Er wirkte hier und in Lötzbeuren als Seelsorger. Von 1664 bis 1715 versah ein Barthel Wagner das Seelsorgeramt. Dem hiesigen Pfarrer waren sämtliche lutherische Gemeinden des Oberamtes Simmern unterstellt. Als Lehrer wird 1723 ein Johann Heinrich Barthelmes genannt.

Unter Napoleon wurden, nachdem durch die Folgen der französischen Revolution der Kleinherrschaftswirrwarr ein Ende gefunden hatte, sämtliche Klosterländereien versteigert, wurden Bauernland. Unter französischen Fahnen nahmen etliche Männer aus Raversbeuren an dem Feldzug Napoleons gegen Russland teil. Umgekehrt kämpften andere unter den Farben Preußens während der Befreiungskriege gegen Frankreich.

Nach den Kriegsjahren von 1806 bis 1815 kam die Not in das Land. Den Gemeinden wurden Kriegsschulden aufgebürdet. Die Holzkohle aus geschlagenen Wäldern brachte nur recht wenig ein. Die Gemeinde versteigerte große Landflächen. Die Hauptlasten trugen, wie so oft, die einzelnen Bürger. Wie allenthalben, wanderten zahlreiche Menschen unseres Dorfes nach Amerika aus. Hauptziel war Brasilien und hier besonders Rio de Janeiro, Rio Grande do Sul und Porto Allegre. Trotz der allgemeinen Notlage wurde um diese Zeit eine vorhandene alte Wasserleitung, die als „Wackenkanal“ bereits um 1670 erstmalig erwähnt wurde, durch Steingutröhren erneuert. 1895 wurde diese Leitung durch Eisengußrohre ersetzt, die heute noch in Gebrauch sind.

Im Jahre 1857 und 1858 wurde ein neuer Gemeindebackes, mit darüberliegendem Saal errichtet. Im folgenden Jahr äscherte ein Großbrand zahlreiche Scheunen und auch Wohnhäuser ein. Durch den Funkenflug eingelagerter Eichenlohe (von der Briedeler Heck zur Abfuhr nach Kirn bestimmt), dehnte sich das Feuer rasch und weit aus. Ein späterer Brand im Jahre 1893 blieb auf zwei Scheunen beschränkt. Dabei verbrannte in der nachträglich vom Feuer ergriffenen Scheune die große Dreschmaschine. Sie war 1871, nach Bildung einer dörflichen Aktiengesellschaft, nebst einer Lokomobile bei Lanz, Mannheim, gekauft worden. Es war die dritte Maschine, die von dieser bekannten Firma ausgeliefert wurde; ein Beweis für die fortschrittliche Einstellung der damaligen Bürger! Eine Aktie kostete 30 Preuß. Taler. Noch heute wird ein großer Dreschsatz auf genossenschaftlicher Basis betrieben. Ebenfalls um 1871 wurde hier auch eine dörfliche Viehversicherung gegründet. Dadurch wurde für das einzelne Mitglied der eventuell Verlust von Vieh tragbarer.

So ist es nicht verwunderlich, dass schon in den 80er Jahren, im damals bestehenden landwirtschaftlichen Kasino, die Flurzusammenlegung besprochen wurde und heiße Köpfe machte. Die Vorarbeiten zur Flurbereinigung begannen trotzdem erst 1912. Durch den 1. Weltkrieg unterbrochen, konnten die letzten Erdarbeiten erst 1924 beendet werden.

Im Kriege 1914-18 fanden 7 Angehörige des Dorfes den Tod. 1939-45 mussten gar 18 Soldaten aus Raversbeuren ihr Leben opfern. Vor dem Einmarsch der Amerikaner am 17. März 1945 erlitt das Dorf bei einem dreitägigen Artilleriebeschuß (14.-16. März 1945) erhebliche Beschädigungen. Dabei brannte eine Scheune völlig nieder. Diese Beschießung kostete 16 Menschen (Eingesessene und Soldaten) das Leben, hinzu kamen noch etliche Verwundete.

1937 wurde eine neue Unterbringung der genossenschaftlichen Dreschmaschine errichtet. Im Krieg wurde die Wasserleitung durch eine neu erbohrte Quelle erweitert. 1947/48 erfolgte der Neubau einer Gemeindescheune mit Stierstall und im folgenden Jahr wurde, als Ersatz für die vier Wassermühlen, am oberen Dorfeingang eine elektrisch betriebene Genossenschaftsmühle errichtet.

Obwohl die wirtschaftliche Lage der Gemeinde nach Abtrieb fast aller annähernd hiebreifen Fichtenbestände durch die französische Besatzungsmacht sehr beengt war, diente der letzte haubare und aus der Beschlagnahme zurückgekaufte Schlag zur Errichtung eines neuen Schulhauses (1951). Gegebene Beihilfeversprechungen des Landes Rheinland-Pfalz wurden später nicht eingelöst.

Da der alte Gemeindesaal den örtlichen Erfordernissen- Gesang, Musik- und Turnverein, Laienspielschar u.s.w. – nicht mehr genügte, fand 1956 eine Erweiterung und Neuherrichtung der bestehenden Innenräume statt. Manche Namen wären zu nennen, derer, die sich um die Geschicke des Dorfes besonders verdient gemacht haben. Wo soll man beginnen, wo darf man enden? Mitgewirkt haben letztlich alle in reichlichem Willen! Gemeinschaft hat unser Dorf gebaut und gefügt durch 1050 Jahre.

Nach der vielhundertjährigen Vergangenheit des Dorfes wünschen und hoffen wir, dass auch kommende Geschlechter das Erbe der Ahnen erhalten und weiterführen werden.

Raversbeuren, den 22. März 1958 Albert Bauer